Goldener Herbst im Engadin

Im Herbst erstrahl das Engadin in seiner einzigartigen Bergkulisse. Das goldene Leuchten der Lerchen, die frische und klare Bergluft und der tiefblaue Himmel lädt zu ausgedehnte Spaziergänge und Wanderung. Der Philosoph und Wahlengadiner Friedrich Nietzsche beschreibt die schönste Jahreszeit im folgenden Gedicht:

Der Herbst

Dies ist der Herbst:
der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
Und ruht bei jedem Schritt.

Was ward die Welt so welk!
Auf müd gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh
Er klagt ihr nach.

Dies ist der Herbst:
der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
O Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eisiger Schauder deine Wange,
Die Purpur-Wange deckt? –

Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch?

Dies ist der Herbst:
der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
Ich bin nicht schön,
so spricht die Sternenblume ,
Doch Menschen lieb ich
Und Menschen tröst ich

Sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
Nach mir sich bücken
Ach! und mich brechen
In ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf,
„Erinnerung an Schöneres als ich:
ich seh’s – und sterbe so.“

Dies ist der Herbst:
der – bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!

Friedrich Wilhelm Nietzsche
(1844 – 1900), deutscher Philosoph, Essayist, Lyriker und Schriftsteller

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